Kooperatives Verhalten in riskanten Situationen

Soziale Hormone: Zwei neue Studien untersuchen den Einfluss von Arginin Vasopressin auf Handlungskontrolle und die Verarbeitung von Belohnungsanreizen

Eine interdisziplinäre Forschergruppe der Universitäten Lübeck (Klinik für Neurologie), Magdeburg (Institut für Sozialmedizin und Gesundheitsökonomie) und des California Institute of Technology (Behavioral Economics) zeigt den Einfluss des Neuropeptides Arginin Vasopressin (AVP) auf kooperatives Verhalten beim Menschen. Diese Ergebnisse, veröffentlicht am 8. Februar in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), erklären eine wichtige biologische Voraussetzung für die erfolgreiche Interaktion in Gruppen.

Aus Untersuchungen an Tieren ist bekannt, dass AVP monogames Bindungsverhalten und elterliche Fürsorge genauso fördert wie bei männlichen Tieren aggressives Verhalten gegenüber Eindringlingen. Frühere Untersuchungen der Lübecker Gruppe haben bereits gezeigt, dass auch bei Menschen AVP einen modulierenden Einfluss auf Hirnprozesse hat, die Aggression und Empathie zugrunde liegen.

In ihrer neuen Publikation beschreibt die Forschergruppe nun den Einfluss von AVP auf kooperatives Verhalten beim Menschen und die damit verbundenen Hirnmechanismen. „Durch Kooperation können Menschen Dinge erreichen, die über die Fähigkeiten des Einzelnen hinausgehen. Uns hat die Frage interessiert, durch welche neurobiologischen Mechanismen solch kooperatives Verhalten geformt wird“, so der Psychologe Dr. Marcus Heldmann von der Universität zu Lübeck.

Um den Einfluss von AVP auf diesen Aspekt der sozialen Kooperation zu untersuchen, wurden zunächst 59 männliche Probanden in einer Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie untersucht. Den Teilnehmern wurde über ein Nasenspray AVP gegeben, in der Placebogruppe erhielten die Probanden Kochsalzlösung. Anschließend spielten die Probanden in Zweiergruppen ein Spiel, das für einen maximalen Gewinn die Kooperation der Spielpartner erfordert.

„Unser Experiment zeichnet sich durch zwei Eigenheiten aus“, erläutert Dr. Dipl.-Biol. Claudia Brunnlieb die Untersuchungssituation. „Die Teilnehmer gewinnen am meisten Geld, wenn sie sich für ein kooperatives Verhalten entscheiden und ihr Gegenüber es auch tut. Allerdings bekommt ein Spieler besonders wenig, wenn er sich zwar kooperativ verhält, sein Gegenüber dies aber nicht tut.“

Es zeigte sich, dass unter AVP die Probanden eine stärkere Bereitschaft zu einer solch risikobehafteten Kooperation zeigen als unter Placebo. Um auszuschließen, dass sich lediglich die Risikobereitschaft verändert, wurde das Verhalten der Probanden zusätzlich in einer Lotterieaufgabe untersucht. In dieser Lotterieaufgabe unterscheiden sich die Gruppen mit und ohne AVP-Gabe nicht. AVP verändert also nicht die Risikowahrnehmung per se, sondern nur die Risikowahrnehmung im sozialen Kontext.

Um die neuralen Mechanismen riskanter Kooperation zu verstehen, wurde die Untersuchung an einer weiteren Gruppe von 34 Männern bei gleichzeitiger Messung der Hirnaktivität durch die funktionelle Magnetresonanztomographie wiederholt. Kooperatives Verhalten unter AVP veränderte die Aktivität von Hirnstrukturen, die für Handlungskontrolle, Wahrnehmung von Risiko und die Verarbeitung von Belohnungsreizen verantwortlich sind.

„Zwei Aspekte sind an unserer Untersuchung hervorzuheben“, ordnen Claudia Brunnlieb und Marcus Heldmann die Befunde ein. „Zum einen können wir trotz der Komplexität sozialer Interaktionen unsere Ergebnisse in zwei Studien replizieren, was für die Robustheit des Einflusses von AVP spricht. Zum anderen finden wir mit der Gehirnregion des ventralen Pallidum, welches ein Teil des menschlichen Belohnungssystems ist, eine Struktur bei kooperativem Verhalten funktionell stärker eingebunden, die sich durch eine hohe Dichte von Vasopressinrezeptoren auszeichnet. Das Besondere dabei ist, dass sich der Einfluss des Petpids selektiv in einer Bedingung auswirkt (kooperatives Verhalten unter AVP) und nicht generell wirkt.“

Vielfältige Fragestellungen können sich an diese Befunde anschließen. So ließe sich prüfen, ob Vasopressin in Gruppen genutzt werden kann, bei denen eine Kooperation notwendig für das Erreichen eines übergeordneten Zieles ist, wie es zum Beispiel auf die Arbeit von Teams in Notfallsituationen zutrifft. Die Lübecker Wissenschaftler interessieren sich besonders dafür, ob der Einfluss von Vasopressin im klinischen Bereich genutzt werden kann, etwa bei Patienten mit Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion.

Literatur

Brunnlieb C, Nave G, Camerer CF, Schosser S, Vogt B, Münte TF, Heldmann M.
Vasopressin increases human risky cooperative behavior. Proc Natl Acad Sci U S A.
2016 Feb 23;113(8):2051-6. doi: 10.1073/pnas.1518825113. Epub 2016 Feb 8. PubMed
PMID: 26858433.