Schilddrüse bei Schwangeren steuert braunes Fettgewebe der Nachkommen

Braunes Fettgewebe ist ein Gewebe, das bei Babys zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur genutzt wird. Im Erwachsenen rückt das braune Fettgewebe insbesondere im Zusammenhang mit Folgeerkrankungen von Übergewicht immer mehr in den Fokus der Forschung. Die Aktivierung dieses Fettgewebes könnte ein vielversprechender Therapieweg sein, um metabolische Verbesserung im Kampf gegen die Adipositas-Pandemie zu erreichen. Forschende am „Center of Brain, Behavior and Metabolism“ (CBBM) der Universität zu Lübeck haben jetzt einen Mechanismus entschlüsselt, der an der Aktivierung des braunen Fettgewebes beteiligt ist. Das Forschungsteam um Prof. Jens Mittag, Leiter des Instituts für Endokrinologie und Diabetes der Universität zu Lübeck, fand heraus, dass Schilddrüsenhormone der Mutter während der Schwangerschaft einen Einfluss auf die spätere Aktivität des braunen Fettgewebes der Nachkommen hatten. Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.
Das sogenannte braune Fettgewebe wird zurzeit intensiv im Zusammenhang mit Übergewicht und Typ 2 Diabetes beforscht, da es in der Lage ist Fett zu verbrennen und als Wärme freizugeben. Von einer Aktivierung dieses Gewebes verspricht man sich daher metabolische Verbesserungen und einen neuen therapeutischen Ansatzpunkt im Kampf gegen die Adipositas-Pandemie. Kürzlich wurde gezeigt, dass schlanke Menschen häufig mehr braunes Fett haben als übergewichtige Menschen. Es ist bislang aber unklar, wieso die Aktivität dieses Gewebes von Mensch zu Mensch so verschieden ist. Genau hier hat das Forschungsteam des Instituts für Endokrinologie und Diabetes am CBBM mithilfe eines Mausmodells einen ersten wichtigen Hinweis zur Lösung dieses Rätsels erhalten.
„Der Schlüssel zur Aktivität des braunen Fettgewebes scheint in der Mutter zu liegen“, berichtet Dr. Rebecca Ölkrug, Erstautorin der im renommierten Journal Nature Communications publizierten Studie. „Muttertiere mit hohen Schilddrüsenhormonspiegeln in der Schwangerschaft hatten Nachkommen mit aktiverem braunem Fettgewebe, während eine genetische Blockade des beta-Schilddrüsenhormonrezeptors in den schwangeren Maus-Weibchen den gegenteiligen Effekt auslöste.“ Durch Analyse des mütterlichen Bluts in der CBBM Bioanalytic Core Facility konnten die Forschenden auch einen möglichen molekularen Mechanismus identifizieren: Cholin, ein wichtiger Nährstoff für schwangere Frauen, wird direkt durch die mütterlichen Schilddrüsenhormone reguliert.
„Unsere Studie unterstreicht, welchen hohen Stellenwert die hormonelle Situation der Mutter für die Nachkommen hat“, erklärt Prof. Jens Mittag, Letztautor der Studie. „Leider wird - im Gegensatz zum Schwangerschaftsdiabetes - die Schilddrüse bei schwangeren Frauen immer noch gerne vergessen. Dabei sind die notwendigen klinischen Tests einfach durchzuführen, und es gibt spezifische Referenzwerte und Behandlungsrichtlinien zum Beispiel von der Europäischen Schilddrüsengesellschaft für die Schwangerschaft.“
Die Studie ist Teil des DFG geförderten Transregio Sonderforschungsbereichs TRR296 „Local Control of Thyroid Hormone Action (LocoTact)“, der seit 2020 an den Universitäten Lübeck, Duisburg Essen und Charité Berlin durchgeführt wird, und im nächsten Jahr zu Wiederbeantragung ansteht.
Periphere Parästhesien durch Mutation im SCN10A Gen

Die Neuronen der dorsalen Hinterwurzelganglien sind ein wichtiges Element des somatosensorischen Systems. Sie registrieren unterschiedlichste Signale wie Temperatur, Berührung oder Schmerzreize, übersetzen sie in Aktionspotentiale und leiten die Information entlang afferenter Bahnen in das zentrale Nervensystem. Der spannungsgesteuerte Natriumkanal NaV1.8 ist entscheidend für die elektrische Signalgebung sensorischer Neurone. Es wurden bereits mehrere Mutationen im NaV1.8-kodierenden Gen SCN10A mit neuropathischen Schmerzen und Juckreiz in Verbindung gebracht, die vor allem die Körperperipherie betreffen.
Forscher am „Center of Brain, Behavior and Metabolism“ (CBBM) der Universität zu Lübeck konnten nun gemeinsam mit Kollegen am Uniklinikum Aachen eine Mutation (p.V1287I) im SCN10A-Gen identifizieren, die eine Temperaturregulationsstörung der Hände und Füße hervorruft. Mittels Patch-Clamp-Elektrophysiologie zeigten die Forscher, dass die Mutation den NaV1.8-Kanälen sowohl gain-of-function- als auch loss-of-function-Eigenschaften verleiht, die in ihrer Gesamtheit eine Hyperaktivität sensorischer Neurone bewirken. Sie schlussfolgern, dass nicht-schmerzhafte periphere Parästhesien Teil des klinischen Spektrums NaV1.8-assoziierter Störungen sind.
Die Studie wurde von der DFG (LE-2338-2) gefördert.
Ansprechpartner: Prof. Dr. Enrico Leipold, CBBM & Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Ratzeburger Allee 160, 23562 Lübeck, Tel.: +49 3101 8610, enrico.leipold(at)uni-luebeck.de
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